August 2002. Schwere Regenfälle in Süd- und Osteuropa führten in der zweiten Augustwoche 2002 zu katastrophalen Zuständen in Süd- und Ostdeutschland. Eine Flutwelle, bisher nicht gekannten Ausmaßes, wälzte sich durch die Elbregion und überflutete weite Flächen. Auch viele Nebenflüsse wurden zu reißenden Strömen. Bis Ende August 2002 war allein das Technische Hilfswerk mit über 25.000 Helfern, die aus allen 650 THW Ortsverbänden entsandt wurden, im Einsatz.
Der Ortsverband Ronnenberg leistete für das Elbehochwasser zwischen dem 13.08. und 30.08.02 mit insgesamt 65 ehrenamtlichen Helfern 10.955 Einsatzstunden. Dabei kamen alle Teileinheiten des Technischen Zuges mit Fachgruppen zum Einsatz. Insgesamt wurden 5 verschiedene, räumlich getrennte, Einsatzgebiete weitgehend gleichzeitig unterstützt.
Als die ersten niedersächsischen und bremischen THW Einheiten am 12. und verstärkt am 13. August zur überörtlichen Hilfe nach Sachsen entsandt wurden, liefen in Absprache mit der Länderverband die ersten Vorbereitungen zur Entsendung eines Dokumentationstrupps zur internen Einsatzberichterstattung an. Am 14.08. erreichte uns die Bitte der THW Leitung die zentrale Öffentlichkeitsarbeit in Bonn durch eine Einsatzdokumentation vor Ort zu unterstützen. Es wurden daher sofort zwei Dokumentationstrupps entsandt, die jeweils ausgestattet mit 2 Helfern, einem Personenkraftwagen (OV-PKW und ein Fahrzeug des LV) ,einem Notebook, einer analogen und einer digitalen Kamera, Sprechfunk und mehreren Mobiltelefonen in Richtung Sachsen-Anhalt und Sachsen fuhren.
Ein Dokumentationstrupp verblieb in Schönebeck und leistete dort bis zum Einsatzende am 25. August die gesamte Öffentlichkeitsarbeit des THW im Schadengebiet. Der zweite Dokumentationstrupp bereiste weite Teile des Einsatzraumes. Unter anderem wurden Schadenstellen und Einsatzorte des THW in Dessau, Bitterfeld, Wolfen, Halle, Grimma, Glashütte, Pirna, Dresden, Wittenberg, Wörlitz, Schönebeck, Magdeburg, Stendal, Arneburg, Amt Neuhaus, Hitzacker, Lüneburg und Dannenberg aufgesucht. Insgesamt legte der Dokumentationstrupp innerhalb von 14 Tagen 3.800 km zurück und sammelte über 1 GB Bilddaten. Berichte für die Internetberichterstattung des Landesverbandes wurden entweder per eMail überspielt oder telefonisch weitergegeben.
Am Vormittag des 15. August erfolgte die Alarmierung der Fachgruppe Räumen sowie des Zugtrupps und zusätzlichen Führungskräften des OV-Stabes. Die Ronnenberger Kräfte sollten zusammen mit weitern 80 Helfern aus Niedersachsen / Bremen ins Einsatzgebiet Schönebeck verlegt werden. Mit dem Mannschaftstransportwagen (MTW), dem Kipper mit Ladekran, dem Tiefladeranhänger mit Bergungsräumgerät (BRmG), den beiden Mehrzwecklastwagen (MLW O2, MLW O1), Schlauchbootanhänger und dem OV-PKW machten sich zunächst 18 Helfer aus dem Ortsverband auf den Weg. Durch Nachforderungen und Ablösungen waren in der Zeit vom 15. bis 26. August insgesamt 28 Ronnenberger THW Helfer in Schönebeck im Einsatz.
Durch den Einsatz von über 750 Helfern von Feuerwehr, Bundeswehr und Technischen Hilfswerk (ca. 280 THW Helfer aus Niedersachsen / Bremen) und Tausenden von Freiwilligen gelang es große Teile von Schönebeck und Umgebung vor einer Überflutung zu schützen. Dabei mussten ca. 5 Kilometer Notdeich neu errichtet sowie über 20 Kilometer Elbdeich erhöht und gegen den enormen Wasserdruck gesichert werden. Eine zentrale Sandsacklogistik wurde eingerichtet.
Mit Radlader, Kipper und Tieflader der Fachgruppe Räumen beteiligten sich die Ronnenberger Helfer bei der Sandsacklogistik und allgemeinen Transportaufgaben. Einige Helfer waren in der Technischen Einsatzleitung (TEL) im Schönebecker Rathaus eingesetzt. Andere unterstützten in den Einsatzabschnittsleitungen (EAL) oder halfen beim Errichten der Notdeiche. Tauchpumpen waren an mehreren Stellen im Einsatz, um Wasser das durch die Deiche sickerte zurück zu pumpen. Im Solkanal wurde die Pumpenleistung von vier großen Hannibal-Pumpen benötigt um den Wasserstand zu halten.
Das Schlauchboot wurde zusammen mit anderen Wasserfahrzeugen im Hafen und auf der Elbe eingesetzt um Treibgut zu bergen. Ein Schulzentrum wurde kurzerhand zum ?Hotel-THW? gemacht. Hier waren zeitweise bis zu 300 THW-Helfer untergebracht. Neben Unterkunft und Verpflegung wurde von dem Schulzentrum aus auch die gesamte interne Logistik, von Verpflegung, über Versorgung und Transport bis zur Materialerhaltung organisiert.
Am Abend des 15. August wurden neun Helfer des Ortsverbandes Ronnenberg nach Dresden entsandt. Diese brachten mit dem Mehrzwecklastwagen (MLW-R) und dem LKW mit Ladebordwand des Landesverbandes die Zelthalle des OV und weiteres Unterkunftsmaterial zur Unterbringung evakuierter Personen aus den Hochwassergebieten nach Sachsen. Von Dresden wurden die Einsatzkräfte nach Pirna weitergeleitet, wo sie die Zelthalle mit einer Grundfläche von 8 x 30 Meter errichteten.
Bis zum 22. August blieben die Helfer danach in Dresden und wurden als Transporttrupps und zur Unterstützung des Sachgebietsleiters S4 (Versorgung) in der dortigen THW Führungsstelle eingesetzt. Die Ronnenberger Einheit führte Versorgungsfahrten für die Einsatzstellen durch und transportieren Material zu den Logistikpunkten des THW.
Am 16. August waren die zwei Helfer des Dokumentationstrupps am Aufbau der Technischen Einsatzleitung (TEL) ?Waldersee? in Dessau beteiligt. Die gemeinsame Führungsstelle koordinierte den Einsatz von Feuerwehr, THW, Bundeswehr, Bundsgrenzschutz und Landespolizei in dem Dessauer Stadtteil. Bis zum 19. August verblieben die Ronnenberger Helfer im Stab der TEL, der danach wegen eines Deichbruches und der Überflutung des Ortsteiles verlegt werden musste.
In dem besonders bedrohten Stadtteil Dessau ? Waldersee waren zeitweise bis zu 3200 Helfer damit beschäftigt eine ca. 8 km lange Deichlinie am Zusammenfluss der Mulde und der Elbe zu verteidigen. Die Arbeit gestaltete sich besonders schwierig, da der Deich mit Transportfahrzeugen lediglich an drei Stellen zu erreichen war. U.a. wurden Sandsäcke wasserseitig mit Pontons transportiert und eine ca. 800m lange Behelfsstrasse errichtet. Zeitweise kamen Hubschrauber zum Einsatz. Trotz des pausenlosen Einsatzes aller Helfer ereignete sich am Morgen des 19. August der befürchtete Deichbruch. Mit großen Anstrengungen wurde daraufhin, einer Höhenlinie folgend, ein 3,2 km langer Notdeich quer durch den Ort gebaut, der nach nur 5 Stunden Arbeit geschlossen werden konnte. Auch diese Notdeich hielt den hielt dem Wasserdruck nicht stand und brach in der Nacht zum 19. August, so dass Waldersee komplett evakuiert werden musste und nahe zu alle 800 Gebäude überflutet wurden.
Am 17. August wurden 12 Ronnenberger Helfer zunächst nach Magdeburg und dann nach Stendal entsandt. Sie hatten den Auftrag die Elbdeiche für Sicherungs- und Erhöhungsmaßnahmen großflächig auszuleuchten. Neben den beiden Gerätekraftwagen GKW I und GKW II führten die Helfer den großen Stromerzeuger 283 kVA und den Stromerzeugeranhänger 30 kVA mit großen Mengen Kabel- und Beleuchtungsmaterial mit. Vom Bereitstellungsraum in Arneburg wurden die Einsatzkräfte jeweils zu den Schadenorten an der Elbe entsandt. Unter anderem waren die Ronnenberger Hilfskräfte beim Befüllen und Verlegen von Sandsäcken und bei der Bergung und Zerkleinerung von Treibgut beteiligt. Der Einsatz dauerte insgesamt neun Tage bis zum 25. August.
Aber auch an der Heimatfront wurde über den gesamten Zeitraum gekämpft. So war die Unterkunft nahezu rund um die Uhr besetzt. Mehrmals führten Kraftfahrer des Ortsverbandes Ronnenberg Transportfahrten für den Geschäftsführerbereich und den THW Landesverband durch. Der Stab des Ortsverbandes regelte bei Bedarf den Austausch der Helfer und die Zuführung von vor Ort dringend benötigten Gegenständen.
Zwei Helfer des Ortsverbandes Ronnenberg kümmerten sich um die Gestaltung und Aktualisierung der Internetauftritte des THW Länderverbandes Bremen / Niedersachsen und des Ortsverbandes Ronnenberg. Dazu wurde täglich ein Helfer in den hauptamtlichen Stab der Landesverbandsdienststelle entsandt. Die von den Einsatzstellen eingehenden Berichte und Bilder wurden archiviert und ausgewertet, so dass täglich neue Berichte in das Internet gestellt werden konnten. Digitale Bilder wurden regelmäßig zur THW-Leitung nach Bonn übermittelt.
Der THW Ortsverband Ronnenberg hatte insgesamt 65 Helfer im Einsatz. Damit waren insgesamt zweidrittel der ca. 100 Helfer unmittelbar verfügbar und von der Arbeitsstelle abkömmlich. Großen Dank gebührt natürlich neben den ehrenamtlichen Helfern auch den Arbeitgebern und Familienangehörigen, die häufig durch erheblichen Aufwand den Einsatz, mehr als 200 Kilometer vom Wohnort entfernt, ermöglichten. Die Helfer gingen mit großen Engagement an die Sache und arbeiteten, dort wo es erforderlich war, bis an den Rand der Erschöpfung. Durch den gemeinsamen Einsatz, zusammen mit den Freiwilligen-, Berufs- und Werkfeuerwehren, der Bundeswehr (BW), dem Bundesgrenzschutz (BGS), der Polizei der Länder, den Sanitätsorganisationen (DRK, JUH, ASB, MHD), der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), dem Zoll, den Kommunalen Bediensteten und unzähligen Freiwilligen Helfern konnten noch größere Schäden verhindert und das eingetretenen Leid gemindert werden. Den Helfern des Technischen Hilfswerkes bleibt dieser bisher größte Einsatz in der über 50jährigen Geschichte des THW in guter Erinnerung.
Bernhard Rodeck
THW Ortsverband Ronnenberg