Hannover. Im Rahmen der Weltmeisterschaftsvorbereitungen am Austragungsort Hannover, fand am Samstag, den 25. März, eine Großübung der Rettungskräfte statt. Insgesamt wurden über 2000 Einsatzkräfte von Berufsfeuerwehren und Freiwilligen Feuerwehren, von Arbeitersamariterbund, Deutschem Rotem Kreuz, Johanniter Unfallhilfe und Malteserhilfsdienst sowie Technischem Hilfswerk und Landes- sowie Bundespolizei aus ganz Niedersachsen aufgeboten um knapp 500 Verletzte nach einem Unglück im Stadion in Hannover zu retten und zu versorgen. Weiterhin waren auch der Stadionordnungsdienst und das zusätzliche Personal von zwei Erstversorgungskliniken (EVK) in die Übung eingebunden. Nach Angaben der Übungsleitung handelte es sich damit um die größte Katastrophenschutzübung die in Niedersachsen seit 1945 veranstaltet wurde und hinsichtlich der Anzahl der Verletztendarsteller und der vollen Einbindung zweier Krankenhäuser wohl ein eine einzigartige Übung im Bereich der Bundesrepublik.
Angenommen wurde ein Schadenereignis, im bereich der WM-Arena, bei dem es nach einer Explosion zu einem Teileinsturz des Stadiondaches der Westtribüne und zu einer Zerstörung der Unteren Ränge der Südtribüne mit zusätzlichem Austritt von gefährlichen Chemikalien kam. Auch wenn es die Verantwortlichen nicht so dargestellt haben wollten, hatte das Szenario einen Terroranschlag als Initialereignis zur Grundlage.
Kurz vor 11 Uhr fiel der Startschuss zu der Großübung mit einer Explosion hinter der Westtribüne sowie eine Rauchentwicklung an der Südtribüne. Zuvor waren ca. 50 Verletztendarsteller im Unterrang der Südtribüne, ca. 200 Darsteller im Unterrang der Westtribüne sowie ca. 250 Darsteller im Oberrang der Westtribüne verteilt worden. Seit sechs Uhr morgens hatten die Kameraden der Realistischen Unfalldarstellung (RUD) die knapp 500 Verletztendarsteller geschminkt und jeden einzelnen mit einer Art Drehbuch versehen, so dass sich den ersten Hilfskräften ein sehr reales Szenario bot. Zusätzlich waren Trümmerteile und Strohpuppen, die Leichen darstellen sollten, zwischen den Sitzreihen verteilt worden.
Im Stadion befanden sich zum Unglückszeitpunkt die Kräfte des Stadionsanitätsdienstes (DRK/ASB), der Ordnungsdienst in einer Stärke wie sie für die WM-Spiele vorgesehen sind, sowie eine Hundertschaft der Bereitschafspolizei. Die Kräfte waren zu Beginn gleichmäßig über alle Blöcke der Tribünen verteilt worden und Eilten nach Schadeneintritt in die betroffenen Bereiche.
Verletzte, die gemäß ihrer Rolle noch laufen konnten versuchten sich selbst in Sicherheit zu bringen und brachen zum Teil in den Aufgängen zusammen. Für die ersten Einsatzkräfte im Unterrang der Südtribüne, wurde schnell klar, dass hier eine Kontamination mit Gefahrstoffen vorlag. Kontaminierte Verletzte, die sich selbst retten konnten oder durch die im Stadion anwesenden Helfer gerettet wurden, sammelten sich im Bereich des Marathontors. Seitens der Einsatzleitung wurden hier gleich nach dem Anrücken ein Löschzug und der Umweltschutzzug der Berufsfeuerwache 3 unterstützt durch die Freiwillige Feuerwehr eingesetzt.
Während hinter der Osttribüne die Dekontaminationsstelle für Einsatzkräfte aufgebaut wurde und die Messfahrzeuge Stellung bezogen, wurde durch einen Messtrupp, der mit PID, IMS und Dosisleistungsmesser ausgestattet war, der kontaminierte Tribünenbereich eingegrenzt. Weitere Trupps, die mit Chemikalienschutzanzügen ausgerüstet waren, übernahen die kräftezehrende Bergung von ca. 10 nicht mehr gehfähigen Patienten die bis zur Grenze der Gefahrenzone am Marathontor gebracht wurden.
An der Südzufahrt des Stadions bauten zwischenzeitlich Einsatzkräfte eines Löschzuges eine Einrichtung zur Massendekontamination auf. Die unverletzten und gehfähigen Betroffenen aus der Südtribüne sollten hier durch eine spezielle Lotsung durch eine Gasse zwischen zwei Hilfeleistungslöschfahrzeugen (HLF2000) geleitet werden, in der sie massiv mit Wasser beaufschlagt wurden. Diese Notdekontamination ist bei Einsatzlagen anzuwenden, wo aufgrund der Anzahl der Betroffenen eine Reinigung in einer mobilen oder ortsfesten Dekontaminationsanlage zeitnah nicht durchzuführen ist. Bei der Übung wurden mehrere Freiwillige gefunden, die bereit waren, bei Außentemperaturen von +5°C durch die Duschgasse zu laufen.
Wie auch zur Weltmeisterschaft geplant, stand das Technische Hilfswerk zur Übung mit einen Technischen Zug im Bereich des Schützenplatzes, mit drei Technischen Zügen im Bereich der Unterkunft des OV Hannover (im Norden der Landeshauptstadt) und mit zwei Technischen Zügen im Bereich der Unterkunft des OV Sarstedt (im Süden der Landeshauptstadt) in Alarmbereitschaft. Nachdem sich ein erstes Lagebild bezüglich des Massenanfalls von Verletzten in der Einsatzleitung entwickelt hatte, wurden alle THW Kräfte in angefordert und in Richtung Stadion in Marsch gesetzt.
Der als erstes eintreffende Zug vom Schützenplatz wurde im Südbereich des Stadions eingesetzt. Hier waren die CSA-Trupps der Feuerwehr immer noch damit beschäftigt die Verletzten aus dem Innenraum zu rettet. Ausgerüstet mit leichten Schutzanzügen und Filtermaske fiel den dort eingesetzt THW Kräften außerhalb der Gefahrenzone die Aufgabe zu, die kontaminierten Verletzten im Bereich der Verletztenablage am Marathontor aufzunehmen und zur Dekontaminationsstelle für Verletzte in der Nähe der Mehrkampfanlage zu transportieren. Wer gemäß Drehbuch noch laufen konnte, wurde durch die Helfer lediglich geführt. Die ca. 30 nicht gehfähigen kontaminierten Verletzten wurden mit Tragen und speziellen Transportwagen bis zum Aufnahmezelt der Dekontaminationsstelle gebracht.
Für die CSA-Träger aus dem Stadion endete der Einsatz nach dem Bergen aller Betroffenen an der Dekontaminationsanlage für Einsatzkräfte, die am Abrollbehälter ?Dekon? durch Helfer der Freiwilligen Feuerwehr eingerichtet worden war.
Die THW-Kräfte transportierten währenddessen die Verletzten über die Wegstrecke von ca. 300 Meter bis zur Dekon-Stelle an der Mehrkampfanlage. Da der Weg dorthin ebenfalls als kontaminiert eingestuft werden musste, wurde er gekennzeichnet und abgesperrt.
Wie auch zu dem Spielen der Weltmeisterschaft geplant, wurden bereits vor dem Spiel / der Übung eine Dekontaminationsstelle für Personen sowie ein mobiler Behandlungsplatz (BHP 1) auf der Fläche zwischen Stadionsporthalle und Mehrkampfanlage aufgebaut. Dadurch standen diese Einrichtungen bereits direkt and Eintritt des Schadenereignisses zur Verfügung. Alle anderen vier Behandlungsplätze (BHP 2 ? BHP 5) wurden erst nach der Alarmierung aus der Bereitstellung in der Nähe des Stadions heraus aufgebaut.
Die Freiwilligen Feuerwehren aus Hannover (Ofw. Limmer / Davenstedt) und Hildesheim richteten mit dem Material von zwei Dekon-P LKW der Ergänzungskomponenten des Bundes sowie weiterer Zelte die Dekontaminationsstelle für Verletzte ein. Da die Dekontamination sehr zeitaufwendig ist, wurde parallel in zwei Anlagen in denen bei jedem Zwischenschritt zwei Verletzte behandelt werden konnten, gearbeitet. Zu Beginn der Dekontamination wurden die Patienten zunächst in einem ersten Zelt entkleidet.
Im nächsten Zelt erfolgte dann die Versorgung, Dekontamination und das Abdecken von offenen Wunden. Dabei wurden die Krankentragen jeweils auf Lagerungsböcken gelagert. Im nächsten Schritt erfolgte die eigentliche Dekontamination im Duschzelt. Anschließend wurden die Betroffenen abgetrocknet und erhielten soweit sinnvoll Einwegbekleidung, bevor sie an den in einer Entfernung von ca. 50 Metern aufgebauten Behandlungsplatz BHP 1 abgegeben wurden.
Für die Kräfte der Massen- und der Verletztendekontamination sowie der Transportkomponente endete der Einsatz jeweils in der Dekontaminationsstelle für Personen. Hier wurden Stiefel und Handschuhe grob gereinigt der der Schutzanzug abgelegt.
Bernhard Rodeck
THW Ortsverband Ronnenberg