Seelze (Landkreis Hannover). In den frühen Morgenstunden des 27. April 2001 entgleiste am Abrollberg des Rangierbahnhofes Seelze ein Kesselwagen. Durch eine Fehlstellung der Weiche stellte sich das Fahrzeug quer, stürzte um und rutschte über die Gleisanlagen. Der nachfolgende Kesselwagen entgleiste ebenfalls und kollidierte mit dem umgestürzten Wagon. Die Ladung der beiden Schienenfahrzeuge bestand aus 44t bzw. 34t tiefgekühltem, flüssigen Propangas. Die Außenhaut des umgestürzten Kesselwagens wies deutliche Deformationen auf.
Die eintreffenden Kräfte der Scherpunktfeuerwehr Seelze und der Stützpunktfeuerwehr Letter sperrten die Unfallstelle zunächst weiträumig ab und nahmen umfangreiche Messungen vor. Ein Gasaustritt war zunächst nicht festzustellen. Schnell wurde klar, das die Bergung der Fahrzeuge nur mit Spezialkräften und nach Umfüllen des einen Kesselwagens vorgenommen werden konnte. Da das Gefahrgut ein erhebliches Gefährdungspotential darstellte wurde frühzeitig mit der Evakuierung der Einwohner in einem 200 Meter Radius begonnen. Die Schienenfahrzeuge wurden, soweit möglich, in ihrer instabilen Lage gesichert und abgestützt. Zur Unterstützung wurde über das TUIS die Werkfeuerwehr BASF aus Ludwigshafen sowie ein Schienenkran der DB AG aus Leipzig, die Werkfeuerwehr des örtlichen Chemiewerkes "Honeywell" und ein straßengebundener Schwerlastkran angefordert.
Da sich bereits abzeichnete, daß zur Bergung und zum Umfüllen in einem Radius von bis zu 1500 Meter evakuiert werden müsste, wurden die Technische Einsatzleitung des Landkreises Hannover (TEL-LKH) zur Gesamtkoordination und weitere Einsatzleitwagen zur Führung von drei Unterabschnitten alarmiert. Schnelleinsatzgruppen des Sanitätsdienstes übernahmen zusammen mit der Polizei die Evakuierung. Die SEG-San des DRK Ortsverbandes Neustadt / Garbsen richtete eine große Betreuungsstelle ein. Die Gesamteinsatzleitung wurde durch die TEL-LKH am Rathaus Seelze aufgebaut. Im Stabs- und Fernmeldebereich wirken u.a. auch Helfer der THW Ortsverbände Lehrte, Ronnenberg und Wunstorf mit.
Nach Eintreffen der auswärtigen Kräfte wurde der Evakuierungsbereich nochmals erweitert und zusätzliche Straßensperrungen vorgenommen. Bevor mit dem Anschließen der Armaturen begonnen werden konnte, mußte zunächst eine weitere Sicherung der Fahrzeuge und das Eingleisen und Bergen des zweiten Kesselwagens abgeschlossen sein. Gegen 17:00 Uhr konnte mit dem Umpumpen der "Flüssigphase" begonnen werden.
Zur Ausleuchtung der Einsatzstelle kamen die Schnelleinsatzgruppen Bergung der THW Ortsverbände Ronnenberg und Lehrte zum Einsatz. Beide Einheiten rückten jeweils mit einer Helferstärke von 1/8, den Gerätekraftwagen GKW II mit NEA30 bzw. GKW II (neu) und einem Mannschaftstransportwagen zur Einsatzstelle ab.
Ab 18:00 Uhr wurde mit dem Aufbau einer zentralen Stromversorgung, ausgehend vom 50 kVA Aggregat des GKW II aus Lehrte, der zur Sicherheit in deutlicher Entfernung aufgestellt werden musste, begonnen. Neben einer Anzahl von Halogenstrahlern auf Stativen, kamen auch die neuen Beleuchtungskörper ?Powermoon und ?Scirocco des THW zum Einsatz. Für die großflächige Ausleuchtung der Schadenstelle setzte der Ortsverband Ronnenberg vier heliumgefüllte Beleuchtungsballons mit sogenannten HQI-Lampen ein. Der gemeinsame Einsatz der beiden THW Ortsverbände verlief vorbildlich. In der Technischen Einsatzleitung stand ein Fachberater THW als direkter Ansprechpartner zur Verfügung.
Bis 22:00 Uhr waren ca. 60% des Tankinhaltes in einen bereitgestellten Kesselwagen umgefüllt. Ein weiteres Abpumpen war danach am liegenden Kesselwagen nicht mehr möglich, da sich die Flüssigphase unterhalb des im Kesselboden angeordneten Auslasses befand. Beim Ankippen des Wagens mit Hilfe von Scherlasthebekissen kam das Fahrzeug erneut ins rutschen und musste weiter gesichert werden. Gegen 00:30 gelang es, den halb entleerten Kesselwagen mit Hilfe der straßen- und schienengebundenen Kräne aufzurichten und ein-zugleisen. Das Fahrzeug wurde danach im Schritttempo zu einem abgelegenen Gleis des Rangierbahnhofes geschoben. Für das Technische Hilfswerk war der Einsatz gegen 04:00 Uhr in der Nacht beendet. Die weiteren Umfüllmaßnahmen, die sich aufgrund einer Beschädigung an den Armaturen ebenfalls schwierig gestalten wird, wurden erst bei Tageslicht wieder in Angriff genommen. Bei Einsatzende des THW war noch nicht entschieden ob der Restinhalt abgepumpt werden konnte, oder kontrolliert abgefackelt bzw. in Wasser gelöst werden sollte.
Insgesamt waren mehr als 400 Einsatzkräfte von Feuerwehr, THW, DRK, ASB, JUH, Polizei und BGS im Einsatz. Das THW war mit ungefähr 40 Helfern aus drei Ortsverbänden eingebunden.
Bernhard Rodeck
THW Ortsverband Ronnenberg